Die erste befestigte Anlage wurde an dieser Stelle von Gruffudd ap Gwenwynwyn, dem Lord von Powys Wenwynwyn, in der Mitte des 13. Jahrhunderts errichtet. Die ursprüngliche Burg wurde im Jahr 1274 fast völlig durch Llywelyn ap Gruffudd, dem Herrscher von Gwynedd, zerstört. Nach der Eroberung von Wales durch den englischen König Edward I. erhielt Gruffudd seine Ländereien zurück und bald darauf begann die Arbeit am neuen Schloss. Nach dem Ende der englischen Bürgerkriege wechselte das Schloss häufig seinen Besitzer, aber 1722 wurde es an William, der zweite Markgraf Powis, zurückgegeben, der es daraufhin ausbauen und die Terrassen fertigstellen ließ. Der barocke Garten ist einer von nur wenigen noch heute in ihrer ursprünglichen Form existierenden in ganz Großbritannien.
Wegen einer Folge kinderloser Ehen wurden Anwesen und Titel an Edward Clive überführt, der mit Henrietta Herbert verheiratet war, einer entfernten Verwandten des dritten und letzten Markgrafen Powis. Edward Clive war der älteste Sohn von Robert Clive, der als Agent für die East India Company arbeitete und die britische Herrschaft über den Subkontinent durchsetzte. Durch diese Heirat wurde die umfangreiche Sammlung indischer Kunstschätze ins Schloss gebracht. Als ihr Sohn die Ländereien erbte, wurden endlich längst überfällige Reparaturen an Schloss und Garten durchgeführt. Die Kosten für die Ausbesserungsarbeiten wurden größtenteils mit Clives Schätzen beglichen, die er in Indien gehortet hatte.
Im späten 18. Jahrhundert statteten viele Touristen den malerischen Gärten einen Besuch ab und bestaunten die Kunst- und Porträtsammlung, die im Schloss ausgestellt ist. Während der Freiheitskriege gegen Napoleon waren viele Besucher überrascht, eine Büste von Napoleon gut sichtbar ausgestellt vorzufinden!
Powis Castle erhielt seine letzten Änderungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und im zweiten Weltkrieg diente es als Schule für evakuierte Mädchen. George Charles Herbert, der vierte Graf Powis, überließ das Schloss 1952 dem National Trust, aber die Familie behält sich noch immer das Recht vor, im Schloss zu wohnen.
Powis-Castle, der Sitz des Lord Clive, ältesten Sohnes des Grafen Powis, liegt ... auf einem Hügel, ungefähr eine Meile von der Stadt, in der Mitte eines großen Parks, dem es, wie allen Anlagen dieser Art in England, nicht an grandiosen Einzelnheiten fehlt. Das Castell oder Schloß selbst hat zwei Höfe, von denen der eine auf der Westseite von einem langen Gebäude begränzt wird, während auf der Südseite eine kurze Gallerie, und auf der gegen überliegenden Nordseite der eine Flügel des alten Castelles hervortritt, dessen übrige den zweiten viereckten, kleinen Hof umschließen. –
Das lange Gebäude, welches mit einem platten Dache versehen, und von unten bis oben dicht mit Epheu bewachsen ist, so daß die Fronte eine einzige grüne Wand bildet, enthält im zweiten Stockwerke einen prächtigen Saal von 6 Fenstern, der früherhin zum Ballsaal diente und mit schönen Gemälden behangen war, die man aber jetzt nach Walcot, dem Sitze des Grafen Powis, gebracht hat. –
Der Platz vor diesem Gebäude ist mit Kies belegt, und in der Mitte einem schönen ovalen Rasenfleck Raum gelassen, welcher mit der Epheubekleidung des Hauses sehr gut harmonirt. Auf der gegen Süden gelegenen Gallerie, unter welcher das Eingangsthor angebracht ist, steht eine kolossale, nicht übel gearbeitete, Gruppe von Sandstein, Perseus, welcher den Bellerophon besiegt. Die vierte Seite dieses Hofes ist frei und nur mit einem Steingeländer eingefaßt, über welches hinweg man in den großen, im alt-französischen Geschmack angelegten, aber sehr gut gehaltenen Garten hinabsieht. Dem Eingange gegenüber führt eine breite Treppe in das eigentliche Schloß, das einst einen stattlichen Anblick gewährt haben muß, jetzt aber durch eine übel angebrachte Modernisirung sehr verloren hat. Zwar stehen noch die Thürme auf den Ecken und die Zinnen auf den Mauern, allein die gothischen Spitzbogen der Fenster sind verschwunden und mit ihnen das Charakteristische des Gebäudes.
Die große Prachttreppe, welche zu dem oberen Geschosse führt, ist dem alterthümlichen Glanze, welchen das Innere des Schlosses noch immer behalten hat, angemessen. Am Fuße derselben sieht man eine schöne antike Marmorstatue, eine sitzende römische Dame, wahrscheinlich eine Kaiserin, darstellend: ein schöner kleiner Sarkophag, dem M. Caecilius von seinen Erben, Calvisia Zosime und M. Caecilius Calippus geweiht, dient ihr zum Fußgestell. Das große Deckenstück über der Treppe, den Triumph der Königin Anna darstellend, ist von Lanscroon, einem Gehülfen Verrio’s, und in dessen Manier gemalt. Eine niedrige Gallerie, im älteren Theile des Schlosses, ist mit Marmorbüsten der römischen Kaiser, fast alle Copieen, die zu beiden Seiten desselben aufgestellt sind, verziert. Drei Consular- oder Rednerstatuen, angeblich in Herkulanum gefunden, mögen antik seyn, sind aber so sehr restaurirt, daß man unmöglich über den Werth des wirklich Alten an ihnen urtheilen kann. –
Ein herrlicher 8-12 Fuß langer Tisch, von florentinischer Mosaik, mit Landschaften, Blumenstücken, und andern Verzierungen, in den mannichfachsten Steinarten, eingelegt, steht am Ende der Gallerie. –
Die moderneren Zimmer liegen jenseits der Treppe. In dem ersten von diesen fiel mir, sogleich beim Eintritt ein über dem Kamin stehendes Brustbild Buonapartes in seiner gewöhnlichen Uniform, grün, mit weißen Aufschlägen, auf, neben welchem am Fenster auf einem Tische eine kleine Marmorbüste desselben stand, Verzierungen, die ich schwerlich in dem Staatszimmer eines englischen Großen zu finden erwartet haben würde, die man jedoch in England sehr oft an ähnlichen Orten antreffen soll. –
Ein ziemlich gutes Bild, die Verkündigung, nach Caracci, ist die einzige Entschädigung für die Erregung des unangenehmen Gefühls, welches der Anblick jener beiden Gegenstände verursacht. –
Die neue Bibliothek, ein kleines modernes Zimmer, aus dem man eine schöne Aussicht über den Garten hat, fanden wir ganz mit französischen Büchern angefüllt, welche der so eben aus Frankreich zurückgekehrte junge Lord Clive theils bei Buchhändlern, theils auf der Versteigerung der Bücher Josephinens gekauft hatte. In dem zweiten Staatszimmer, das ziemlich geschmackvoll möblirt ist, hängen mehrere gute Bildnisse, z. B. das des berühmten Lord Herbert von Cherbury, des Biographen Heinrich VIII., ganze Figur – ein Bild des Robert Dudley, Grafen von Leicester, angeblich von Vandyke (wohl Copie) – eine Tochter des Herzogs von Northumberland und ihr Gemahl, von einem unbekannten Maler, aber gut gemalt – Lord Percy Herbert und seine Gemahlin, von Janssen. –
Das Staatszimmer, einst zum Empfange König Carls I. eingerichtet, aber nie von ihm bewohnt, da er nicht auf dem Schlosse erschien, zeugt von dem Reichthum des Besitzers von Powis-Castle: es ist ganz mit dunkelrothem, goldgestickten Sammt ausgeschlagen, und die Toilettengeräthe, welche noch unverrückt dastehen, sind von Silber und vergoldet. Die alte Bibliothek scheint mit älterer englischer Litteratur wohl versehen. Zu den Merkwürdigkeiten, die man hier zeigt, gehört das von dem berühmten Lord Clive, Gouverneur von Indien, aus diesem Lande mitgebrachte Modell eines Krieges-Elephanten, der ganz mit einem Schuppenpanzer umhüllt ist, einen Spieß an der Stirn, und Schwerter an den Hauzähnen befestigt trägt. –
Aus dem eigentlichen Schlosse tritt man durch ein Portal (neben welchem, zu beiden Seiten, in Nischen die Statuen der Könige Offa und Edgar, der einstigen Beherrscher dieser Gegend zu den Zeiten der Heptarchie, stehen) in den Garten, der, wie oben erwähnt, noch ganz nach alt-französischer, oder vielmehr nach italiänischer, Art angelegt ist. Die Aussicht von der oberen Terasse (von welcher breite steinerne Treppen in den Garten hinab führen) gehört unstreitig zu den schönsten in diesem Theile von England. Im Vorgrunde der prächtige Garten mit seinen grünenden Aloen, seinen Gängen, seinen Hecken, seinen Vasen und Statuen; im Mittelgrunde eine wohlangebaute, mit Dörfern besäete Ebene; zur Linken die Stadt Welsh-Pool; im Hintergrunde die Berge Moel y Galfa, Craig Breiddyn, und Cefn Castell, und auf der höchsten Spitze eines derselben ein hoher Obelisk, dem Seehelden, Lord Rodney, zu Ehren errichtet: alles dieß bildet ein Gemälde, wie man es sich nur für die Staffelei wünschen kann, und welches namentlich dadurch etwas Anziehendes erhält, daß die Anlage des Gartens etwas ganz Fremdartiges und Südliches hat.