Aber Falls, wie dieser erstaunliche Wasserfall für gewöhnlich genannt wird, befindet sich am Ende des Aber-Tals, drei Kilometer südlich des kleinen Dorfes Abergwyngregyn. Die Umgebung ist eng mit der Geschichte Gwnyedds und seinen Königen verbunden, die hier im dreizehnten Jahrhundert ihre Residenz hatten.
Dank seiner Lage an der Hauptstraße und –bahnlinie durch Nordwales, zusammen mit den außerordentlichen Naturschönheiten des Tals, werden das Dorf und sein Wasserfall seit der Romantik von einer Vielzahl Touristen besucht. Die vielleicht rührendsten Beschreibungen von Wanderungen im und um das Tal wurden in den 1850ern vom deutschen Journalisten Julius Rodenberg verfasst. Wie der Titel seines berühmten Buches bereits verrät, verbrachte Rodenberg 1856 einen Herbst in Wales und erkundete weite Teile der Gegend mit Hilfe der Bauernkinder, auf deren nahegelegenem Hof er Zeit seines Besuches zu Gast war. Auch wenn er nicht an die Macht größerer und breiterer Wasserfälle heranreicht, so ist laut Rodenberg der Aber-Wasserfall der schönste, der ihm in seinem Leben untergekommen war.
Wo Rodenberg noch über Felsen kletterte und lange, bewaldete Pfade entlangschlenderte, führt heute ein gut gepflegter Wanderweg von einem nahegelegenen Parkplatz zu den Aber Falls.
Wir stiegen in der Frühe des klarsten Herbstmorgens hinter unsrer Farm bergan, und durch die laubdichte, sonnedurchzitterte Buchenwaldung weiter; das kräftige Kind der Berge, welches unter seinem hohen schwarzen Filzhute ganz allerliebst aus sah, immer voran, bis wir nach einstündiger Wandrung den Ort erreichten, wo einer von den Gebirgsbächen dieses wasserreichen Hochlandes dem nahen Meere zustürzt. Ich habe in der Folge wol viele Wasserfälle gesehen, die wilder, schauerlicher und großartiger wirkten: einen lieblicheren aber nicht. Wir waren in dieser Höhe ganz einsam. Ueber den grünen Hügeln schloß sich der blaue Himmel, erst weit unten standen einzelne Hütten, an den Abhängen giengen Schafe und Kühe, deren Glöckchen melodisch in das Rauschen des fallenden Wassers tönten, und da, wo sich die Gebirge aufthaten, erblickte man in der Tiefe die klare See. In diesem freundlichen Thale nun, von Bergkuppen rings eingeschlossen, strömte das kalte, silberhelle Waßer – ganz zu Schaum gelöst – aus beträchtlicher Höhe über den glattgewaschenen, steilen Felsen des Hintergrundes nieder und wand sich alsdann zwischen kolossalen Steinen, die vom Felsen abgerissen schienen, über zitternden Moosen und Schlingpflanzen dahin, bis es das Bett erreichte, in welchem es fröhlich und rasch thalnieder dem Meere zueilte. Da Alles dieß mit einem angenehmen Rauschen geschah und das Wasser selbst im Fallen die gefälligsten Linien beschrieb, so erregte dieser Anblick durchaus nicht in wilder und unheimlicher Weise, sondern gewährte mit der Ruhe und dem Frieden, die hier über allen Bergen zu liegen schienen, auch der Seele etwas Kühlendes und Besänftigendes.
Sarah hatte ihren großen Filzhut abgelegt, sich auf einem nicht weit entfernten Erdhügel niedergelaßen, wo sie das mitgebrachte Frühstück behaglich ausbreiten konnte und lud mich nun ein, gleichfalls Platz neben ihr zu suchen und ihr Gast zu sein.
So stieg ich an der Seite des Gebirges hinauf, zu meinem geliebten Wasserfall. O, wie frisch blitzte und wehte da Alles! Dort war die weite Bergwiese, auf welcher einst Llewellyn des Guten Palast gestanden. Dort war der mäßige Hügel, daran einst ich mit Sarah gesessen, geplaudert, gelacht. Dahinter hob sich der Wald. Schaafe weideten am Abhange. Der Hirtenjunge lag ausgestreckt in der Sonne. Ich kannte ihn wohl; es war derselbe Hirtenjunge, der hier vor zwei Jahren auch schon gelegen hatte. Aber ich hütete mich wol, ihn zu fragen, ob er mich auch noch kenne. Dann öffnete sich die Bergschlucht und dann kam die Felswand mit dem Wasserfall. Wie er stürzte! Wie er dampfte! Wie er seine Schaumflocken mir wider die glühende Stirn spritzte! Wie drängten sich die Wasser – wie quollen sie aus den Steinen und über die Steine .... und meine Seele quoll gleich ihnen über ....