Wie es bereits der Ortsname verrät, liegt Barmouth (auf Walisisch Abermaw) an der Mündung des Flusses Mawddach. Der Ort wurde 1565 zum ersten Mal urkundlich als eine Siedlung mit vier Häusern erwähnt und es ist nur wenig aus der Stadtgeschichte vor dem 18. Jahrhundert bekannt. Mit dem Aufkommen der Küstenschiffahrt im späten 18. Jahrhundert entwickelte sich Barmouth zu einem Schiffbauzentrum mit einem Hafen für Fischerei und der Ausfuhr von Wolle, produziert auf den Schafbauernhöfen im Merioneth-Kreis. Trotz der malerischen Landschaft entwickelten sich die Einrichtungen zum Baden im Meer erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Mit der Ankunft der ersten Zugverbindung nach Shrewsbury mit der „Great Western Railway“, und später nach Aberystwyth mit der „Welsh Coast Railway“ von Süden her, trafen mehr und mehr Touristen hier ein, was die Stadterweiterung notwendig machte. Wegen der großen Nähe der nackten Klippen zur Küste wurde die neuen Gästehäuser auf ansteigenden Terrassen in den Fels gebaut und belustigte Touristen stellten häufig fest, dass es möglich war, in die Feueressen der tiefergelegenen Häuser zu schauen. Im Gegensatz zu anderen beliebten Seebadeorten in Wales entwickelte Barmouth nie die mit Ferienorten assoziierte Architektur, sondern behielt ihren Charme als ein Ort, den man wegen seiner Einfachheit und Schönheit besucht.
In den 1880ern auf einem besonders verzaubernden Strandspaziergang bei Mondlicht wurde der deutsche Urlauber Johann Jakob Honegger Zeuge von Meeresleuchten, einem in der nördlichen Hemisphäre äußerst seltenen Naturschauspiel.
Auf langer Brücke überschreitet die Bahn die Mawdach, die aus dem Gebirge kommt und hier einem großen, von Bergen umrahmten See gleicht, und dann sind wir in Barmouth. Es ist dies auch ein sehr besuchter Badeort, der herrliche Spaziergänge am Strande sowohl wie hoch über dem Flußbett in die Berge hinein bietet, deren höchster, der Cader Idris, mit seinem viergipfeligen, langgestreckten Rücken die anderen alle überragt. Gerade in dem halbverschleierten, schweren Regenton des Abends, den nur an einelnen Stellen gelbrote Lichtstreifen der undergehenden Sonne durchbrachen, war der Blick so großartig schön von diesem Panorama, daß ich ganz begeistert war.
Das war eine zauberhafte Augustnacht; strahlend im Vollmondschein lag der Strand, als wäre lichter Tag über ihn ausgegossen. Die Flut war im Steigen; eine Woge um die andere rauschte heran, geschwätzig, plaudernd, und eine um die andere riß mehr Land an sich. In regelrechten Curven rückten sie vor, schnitten sich ein, leckten an unseren Füßen, ein kühler Willkomm, trieben uns rückwärts Schritt um Schritt. Wir gingen im feinen losen Sande auf und ab, unermüdlich, träumend, pholosophirend, in unsaussprechlicher Stimmung. Lange schon hatte die Geisterstunde geschlagen. Hoch klopfte das Leben in unsern Pulsen, beschwingt über Zeit und Raum hinweg. Das sind die Momente, da die großen Gedanken und hohen Gefühle erwachen uns sich von der Seele losreißen, die unter ihrer Wucht vibrirt. Vom weichen Licht überströmt, lag unabsehbar das Meer vor uns; und weit draußen, von einer Sandbank aus, die hügelartig in seine Fläche sich hineinstreckte, stieg allmählich ein gelblich-grüner Streifen auf; das Meer begann zu leuchten wie in flimmernden Diamanten. Auch dieses seltene und seltsame Phänomen schenkte uns der Himmel, als wollte er in die wenigen glücklichen Stunden alles zusammendrängen, was er an Licht und Schönheit zu geben hat. Weit hinten in der Tiefe stiegen einzelne Segel auf und nieder, geisterhaft. Aus dem prachtvollen Waldthale hinter uns wälzte sich in trüben Wellen langsam und schwer über die Sandebene, der Flut entgegenkämpfend, die Maw.
So oft man diese Bergstocktouristen sah, so dachte man unwillkürlich an den Cader Idris, den fast dreitausend Fruß hohen höchsten Berg der Umgegend von Barmouth und, nächst dem Snowdon, dem angesehensten Berge von Wales. Der Cader Idris ist für Barmouth, was der Vesuv für Neapel. Wer nach Barmouth kommt, hat entweder schon von dem Cader Idris gehört oder er kann nicht umhin, wenistens aus der Ferne seine Bekanntschaft zu machen; denn stolz und einsam hebt er im Südosten der Mawdach-Bucht über allen anderen Bergzügen seinen langgestrechten Kamm, seine schroffe Felswand, seinen wildgezacken Doppelgipfel empor. Die Aussicht von seiner Höhe gilt für die großartigste in Wales. Man erblickt, so versichern die Eingebornen, an einem hellen Tage von dort oben das ganze Wales, nach England hinein und über das Meer nach Irland hinüber. Eine Besteigung des Cader Idris nimmt daher unter den Plänen vieler Barmouth-Besucher eine hohe Stelle ein. Das Unternehmen scheint leicht genug. Der Berg ist so nahe, nicht weiter als etwa sieben englische Meilen. Und überdieß ist der öffentliche Ausrufer von Barmouth da, der mit dieser Würde zugleich das Amt eines Eselvermiethers und Führers nach dem Cader verbindet und nicht geneigt ist, die Schwierigkeiten der Besteigung zu überschätzen. Auch die Reisehandbücher entflammen durch romantische Schilderungen die Unternehmungslust des Touristen.
Der Cader Idris hat seine Seen und Sagen. In uralten Zeiten, so berichtet die wälsche Legende, war er der Sitz des großen Astronomen Idris, der von dort oben die Sterne beobachtete, dessen Felsensitz noch auf dem Gipfel gezeigt wird und dem der Berg in Wahrheit seinen Namen Cader, d. H. Sitz des Idris, verdankt. Der unternehmungslustige Tourist kann so vielen Lockungen nicht widerstehen. Und wenn er eines schönen Abends den sagenhaften Berg mit prächtigen Umrissen und Farben in den heiteren Himmel emporsteigen sieht, nimmt er sich vor, ohne Verzug den folgenden Morgen für die Bergfahrt zu benützen.