Die Villa Glyn Garth ist nur eine von vielen in ganz Wales, die nach Ende des zweiten Weltkriegs abgerissen wurden. Ursprünglich als Cottage am Anglesey-Ufer der Menai-Meeresenge gebaut, wurde Glyn Garth in den späten 1830ern bis frühen 1840ern durch das Ehepaar Schwabe in ein stattliches mit Zinnen bestücktem Herrenhaus verwandelt. Salis Schwabe war ein deutscher Einwanderer und Fabrikbesitzer in Manchester und seine Frau Julia Schwabe war eine anerkannte Schulgründerin und Philanthropin.
Die Schwabes waren konvertierten vom Judentum zum Unitarismus und waren gut mit bekannten Schriftstellern, Sozialreformern, Komponisten, Politikern und Pädagogen ihrer Zeit vernetzt. Obwohl sie die meiste Zeit in Manchester wohnten, wo Salis seine Baumwolldruckfabrik betrieb, zogen sich die Schwabes häufig in ihr walisisches zu Hause, Glyn Garth, zurück, wo sie ihre international berühmten Gäste unterhielten. Unter ihnen befanden sich die Autorin Elizabeth Gaskell, der Gefängnisreformer Thomas Wright oder der ehemalige Generalgouverneur von Indien, William Amherst.
Die Schwabes schlossen nicht nur enge Verbindungen mit britischen Reformern und Aktivisten, sondern blieben auch in Kontakt mit ihrer alten Heimat. Ihr Haus stand vielen Gästen offen, besonders aber politischen Flüchtlingen aus den deutschen Staaten. Die Sozialistin und Pädagoging Malwida von Meysenbug wurde nach Glyn Garth eingeladen, um ihre Gedanken zur Kinderkartenbewegung zu teilen und Richard Wagner erhielt eine Weile finanzielle Unterstützung von Julia nach seiner Flucht aus Deutschland. Während eines Herbstes besuchten der im Exil lebende Revolutionär Karl Blind und seine Familie Glyn Garth. Zusammen mit einem der Schwabe-Söhne, dem späteren Parlamentsabgeordneten George Salis-Schwabe, schockierte Blind den ebenfalls zu Gast weilenden deutschen Akademiker Max Müller mit einem Bad im eiskalten Wasser der Menai.
Nach Julia Schwabes Tod wurde die Villa Glyn Garth von der Diözese Bangor gekauft und diente als neuer Bischofspalast bis zu ihrem Abriss in den 1960ern. Heute steht ein Wohnblock mit Namen Glyn Garth Court an der Stelle, wo einst die Schwabes ihr walisisches zu Hause fanden.
In Glyn Garth, auf dem walisischen Eilande Anglesea, war Max Müller mit seiner liebenswürdigen, hochgebildeten Gemalin, die unsere Sprache wie eine Deutsche spricht, und ich mit meiner Frau in dem herrlichen Landhause der mit der Kaiserin Friedrich befreundet gewesenen Frau Salis Schwabe als Gäste eine Woche lang zusammen gewesen. Frau Schwabes Gatte war einst mit Richard Cobden eng vertraut. An der Menai-Meerenge gelegen, die vorn an den hügelig ansteigenden Rasen heranspült, bietet das Landhaus den prächtigen Ausblick auf die Bergkette von Nord-Wales vom Snowdon an bis zum Penmäenmawr und zum großen und kleinen Orm’s Head, das heißt dem Wurmkopf oder der Wurmspitze. Dieses offenbar von Nordmännern so benannte Vorland rahmt die schön geschwungene Bucht von Llandudno ein, in der man eine Aehnlichkeit mit der Bai von Neapel zu sehen behauptet. Solche den Genuß störende Vergleichungen wollen die Leute ja nie lassen.
Es war noch in den letzten Tagen des September, daß ich mehrmals mit dem Sohne der Hausherrin, dem jetzigen General Schwabe, in frischer Morgenstunde vor dem Frühstück in die Menai-Meerenge hinausschwamm, worüber sich Max Müller baß entsetzte. Zu derlei Stücken im Herbst und in hochnördlicher Gegend war er nicht geneigt; auch nicht zu längeren Fußwanderungen.
In Wales angelangt, gestaltete sich das Leben angenehmer als in der geräuschvollen Geselligkeit in Manchester. Der Herbst war schön und gestattete den Genuss der herrlichen Umgegend. Mehrere interessante Menschen waren bleibende Gäste des Hauses, andere kamen ab und zu. Unter den ersteren befand sich der Kunsthistoriker Professor Anton Springer mit seiner schönen Frau und drei engelhaften Kindern, deren Umgang mir für Geist und Gemüt gleiche Befriedigung gab. Dazu kam ein Freund Springers, ein junger Maler, namens Jaroslav Czermak, wie Springer Czeche von Geburt, eine selten liebenswürdige, schöne Natur. Zwischen ihm und mir legte gegenseitige Sympathie dort den Grund zu einer Freundschaft, die sich später fest und dauernd entwickeln sollte. Auch ein junger schwedischer Musiker, ein vertrauter Schüler Chopins, verweilte längere Zeit dort und er- freute uns durch sein geistvolles Spiel Chopinscher Kompositionen. Dann erschien, wenn auch nur flüchtig, eine Frau, deren Ruf seit kurzem ganz England füllte. Es war dies Mrs. Gaskell, die Verfasserin von „Mary Barton“, dem Romane, welcher mit so ergreifender Wahrheit die Leiden und Entbehrungen der arbeitenden Klassen in den Fabrikstädten schildert, dass selbst englische Staatsmänner, wie z. B. Richard Cobden, auf das tiefste von der Lesung desselben ergriffen worden waren. Mrs. Gaskell war die Frau eines Predigers in Manchester; obgleich hoch gebildet, hatte sie doch früher nicht daran gedacht, als Schriftstellerin hervorzutreten. Der grenzenlose Schmerz um den Verlust ihres einzigen Sohnes trieb sie für einige Monate in eine totale Zurückgezogenheit von der Welt. Als sie wieder daraus hervorging, hatte sie diesen trefflichen Roman geschrieben, in welchem sie ihr eigenes Weh ausströmte in dem Weh der Tausende im Frondienst des Lebens ein so schweres Joch tragen, dass es die edelsten Naturen zerbricht oder zum Verbrechen treibt. Leider war meine Begegnung mit ihr zu kurz, um mir andres als einen schönen Eindruck edelster Weiblichkeit zu hinterlassen.
Die zwei Monate meines Aufenthalts in Wales hatten mich geistig und körperlich gestärkt. Ich nahm bis spät in die Jahreszeit hinein Seebäder und war beinahe den ganzen Tag im Freien, in der erfrischenden Seeluft.
Schon um 4 Uhr Nachmittags waren wir wieder in Bangor-Ferry, und eilten die Zeit zu benutzen, um nach Anglesea hinüber zu kommen. Herr Jackson, der Wirth von Bangor-Ferry, besitzt auf der Insel, dem Wirthshause gegenüber, einen großen Meierhof, auf dem er Pferde hält, um Reisende auf Anglesea herumfahren zu lassen. Sobald man hinüber gehen will, greift der Hausknecht zum Sprachrohr, eilt damit an das Ufer des Meeres hinunter, und ruft den Leuten am jenseitigen zu, wie viel Pferde sie in Bereitschaft halten sollen, worauf ihm auf ähnliche Weise geantwortet wird. Der Menai ist hier ungefähr eine halbe Meile breit, und wir wurden in dem Boote übergesetzt, welches gewöhnlich das ireländische Felleisen hinüberbringt.
Es war in den letzten, gluthheißen Tagen des September, daß wir, freundschaftlicher Einladung folgend, nach Anglesea in Nord-Wales fuhren, um dort, auf einem herrlichen Landsitze an der Menai-Meerenge, eine der genußreichsten Wochen in geistig anregendem Kreise zu verbringen. Ueppiger Baumwuchs umgibt das am Abhange eines Hügels liegende, schloßartige Gebäude, in dessen vor dem Nordwinde geschützten Anlagen treffliches Obst gedeiht. Vor ihm breitet sich ein sanft abfallender Rasenteppich, an dessen Mauerumfassung die See heranspült. Der Ausblick über die Meerenge hinüber geht auf eine vielfältig gestaltete Bergkette, aus welcher der steile Penmaenmawr das heißt der große Steinkopf die rundliche Masse des Moel Eilio und in der Ferne der 3560 Fuß hohe Snowdon her vorragen ....