Das ursprüngliche Herrenhaus, welches sich an dieser Stelle befand, stammt aus dem frühen 15. Jahrhundert, als Sir Gwilym Gruffydd 1438 eine königliche Lizenz erhielt, die es ihm erlaubte, das sein Haus mit Zinnen zu versehen und das Gebäude um einen befestigten Turm zu erweitern. Noch im selben Jahrhundert von Rhys Goch Eryri in einem Gedicht beschrieben, handelte es sich um ein stattliches Haus, welches auch in späteren Zeichnungen des Architekts Samuel Wyatt festgehalten wurde, bevor er es 1782 für die Penrhyn-Familie in stark gotisierendem Stil umbaute. Aller Wahrscheinlichkeit nach behielt sein Bauplan die mittelalterlichen Kellergewölbe, Treppenturm und die große Halle bei und kopierte zusätzlich den mittelalterlichen Charakter des ursprünglichen Gebäudes.
Das gegenwärtige Herrenhaus wurde zwischen 1822 und 1828 vom Architekten Thomas Hopper für George Hay-Dawkins Pennant erbaut, der das Penrhyn-Anwesen von seinem Cousin Richard Pennant geerbt hatte. Pennant selbst hatte sich die Penrhyn-Familie eingeheiratet und in den folgenden Jahren seinen Reichtum durch industriellen Schieferabbau in Nordwales und Sklaverei in Jamaika zusammengetragen.
Anders als andere Märchenschloss-Architekten während der Romantik und der frühen viktorianischen Periode entschied sich Hopper gegen eine modische gotische Gestaltung und beschloss stattdessen eine neo-normannische Herangehensweise. Sein Konzept des normannischen Stils ging über bloße Architektur hinaus und bezog auch die aufwendigen, dekorativen Stuckarbeiten in der Bibliothek, der großen Halle als auch der Treppenaufgänge sowie die Möbel mit ein! Unglücklicherweise überlebte George Hay-Dawkins Pennant die 15-jährige Umbauzeit seines Schlosses um nur drei Jahre.
Königin Viktoria und Prinz Albert besuchten das Schloss 1859 auf einem ihrer seltenen Reisen nach Wales. Die Königin weigerte sich allerdings in dem von der Penrhyn-Familie eigens für sie angefertigen Bett aus Schiefer zu schlafen, da es sie an ein Mausoleum erinnerte. Zu dieser Zeit begann das Anwesen auch seine Pforten für zahlende Besuchergruppen zu öffnen, die von der Haushälterin durch die stattlichen Räume und formalen Gärten geführt wurden.
Hugh Napier Douglas-Pennant war der letzte der Penrhyns, der auf dem Schloss lebte; er starb 1949. Schloss und Gärten wurden 1951 in die Hände des Schatzamtes übergeben und gehört heute dem National Trust. Zusätzlich zur erhaltenen exklusiven Inneneinrichtung, beherrbergt Penrhyn Castle eine der besten Kunstsammlungen in Wales.
Und dieser ganz reiche Boden, diese unermeßlichen Kupfer-, Schiefer- und Marmorminen gehören einem Manne, der es verdient, Besitzer eines der schönsten Punkte der Welt zu seyn. Dieser Mann heißt Pentland, ein schlichter Privatmann, der über eine Rente von 150.000 Pfd. verfügt. Vor vierzehn Jahren kaufte er von der nun ausgestorbenen Familie gleichen Namens das Pennrhyncastle, eine Ruine aus dem sechsten Jahrhundert, welche auf einer schönen Anhöhe über Bangor liegt. Auf dem Grund dieser berühmten Ruine führte er nun binnen dieser Zeit ein Schloß auf, das dem frühern hier gestandenen möglichst treu nachgebildet ist, und das in seiner äußern und innern Erscheinung vollkommen den Geist des ältesten Ritterthums athmet.
Es besteht aus drei Abtheilungen, die mit Mauern und Thürmen umgeben sind, und erhebt sich hoch und staunenerregend in edler Einfachheit über Meer und Felsen. Es ist ganz aus dem schönen rohen schwarzen Marmor gebaut, der an der Mennaibrücke gebrochen wird, und dieß dunkle Colorit gibt dem weit über den Hügel sich ausbreitenden herrlichen hohen Schlosse mit seinen schönen Thürmen und Zinnen ein ungemein romantisches Aussehen. Die Nachahmung der alten Bauart ist so genau, daß man es auf den ersten Blick für ein altes Gebäude ansehen muß. Allein diese Täuschung wird im Innern bis ins Unglaubliche getrieben, und die Millionen, die hier verschwendet wurden, sind von dem feinsten Geschmack, der sichersten Kenntniß der gothischen Bauart und dem geläutertsten Verstande geleitet worden.
Alle Meubles sind im mittelalterlichen Geschmack, aber möglichst veredelt. Die Wände sind durchgehends mit Damasttapeten belegt, die Meubelüberzüge von Atlas und Sammet, und gleich den dicken Fußteppichen, welche die schönen Mosaikparkets dieser Riesenhallen bedecken, mit antiken Zeichnungen durchwebt. Alle Kamine sind von edlen Marmoren, die Spiegel von kolossalster Größe, die Decken Stucco, gehauener Stein oder Holzschnitt – alles treffliche Arbeit. Die enormen Bettstellen sind alle aus Eichenholz oder Schiefer. Die Meubles sind durchgehends von Eben- oder Eichenholz, und mit außerordentlicher Eleganz und Mannichfaltigkeit gearbeitet. Die Candelaber, welche 12 Schuh hoch sind, bestehen aus reich vergoldeter Bronze. In den Verzierungen aller vereinigt sich der höchste Geschmack mit nabobischer Verschwendung. Das schöne Stiegenhaus ist gleich dem ganzen Gebäude in edlem altsächsischen Style gebaut, und empfängt seine Beleuchtung durch eine Kuppel von mattem Glase. Die antiken Bronzelampen hängen in langen Ketten. Die unendliche Säulenarchitektur scheint doch nicht überladen, da sie im Geiste des Ganzen angebracht ist. Die Bibliothek ist ganz von geschnitztem polirtem Eichenholz, und besteht aus einer großen Halle, die in der Mitte durch freie Bögen getrennt ist. Die Aufstellung der Bücher ist hinter feinen filigranartigen Bronzegittern. Die Krone des Ganzen ist die große Entré im Empfangssaale, die auf hundert schlanken Säulen ein erstaunlich hoch und kühn gesprengtes Dach trägt, und ganz mit weißem Marmor belegt ist. Die Verzierungen sind auch hier vom edelsten Geschmack geleitet, und von Meisterhand ausgeführt. Raum für hundert Gäste und fünfzig Pferde drückt diesem Feenschlosse den Stempel der Großartigkeit und Gastfreundschaft auf, und der König von England wäre glücklich, wenn er einen ähnlichen Palast besäße. Ich habe eine solche durchgeführte Nachahmung der mittelalterlichen Bau- und Lebenssitte bis jetzt für unmöglich gehalten, besonders, wenn sie sich mit dem Comfort des üppigsten Lebens unserer Tage paaren soll. Die Capelle ist in gebührender Einfachheit ganz aus Eichenholz gezimmert, nur die Sitze der Familie sind von gepreßtem Leder mit Gold bedeckt. Marquetterie-Arbeiten, indische Tapeten und chinesische eingelegte Basreliefkästen von Speckstein und Perlenmutter finden sich in mehreren Cabinetten.
Das Schloß selbst ist von dichten hohen Bäumen, die sich aus der Tiefe an ihm emporranken, umgeben, und der Park, der sich bis ans Meer hinab und über die Höhen hinauf erstreckt, verspricht einer der schönsten in England zu werden, wie überhaupt eine ähnliche Schöpfung kaum in einem andern Lande der Welt zu finden seyn dürfte.
Dieses merkwürdige Gebäude ist von einem in jeder Hinsicht steinreichen Manne aufgeführt; denn seine, eine Stunde weiter im Gebürge liegenden Steinbrüche, bringen ihm jährlich 40.000 L. St. Er hat an einer der vortheilhaftesten Stellen, am Ufer des Meeres, einen weitläuftigen Park angelegt, und die sonderbare, aber meisterhaft ausgeführte, Idee gehabt, alle Gebäude darin in dem altsächsischen Style zu erbauen. Man schreibt diese Architektur fälschlich in England den Angelsachsen zu, da sie doch von den sächsischen deutschen Kaisern herrührt, und gewiß keines dieser vielfachen Monumente älter ist. Schon die den Park umgebende, wohl eine deutsche Meile fortlaufende hohe Mauer, erhält dadurch ein seltsames Ansehen, daß in ihrer obern Schicht 3 bis 4 Fuß hohe, aufrecht stehende, unegale, spitzige Schieferstücke eingemauert sind, eine zugleich sehr zweckmäßige Werrichtung. Bei jedem Eingang droht ein thurmartiges Fort mit Fallgittern u. s. w. dem Eindringenden, (kein übles Symbol für die Illiberalität der modernen Engländer, die ihre Garten und Besitzthümer strenger, als wir unsere Wohnstuben, verschließen) dann muß der Besucher noch eine Zugbrücke passiren, ehe er den dunklen Thorweg der imponirenden Burg betritt. Der schwarze, nur roh bearbeitete, Marmor von der Insel Anglesea, aus dem die großen Massen bestehen, harmonirt wunderbar mit dem majestätischen Charakter der Gegend. Bis in die kleinsten Details, selbst die Stuben der Bedienten, und noch geringere Plätze nicht ausgenommen, ist mit genauer Sorgfalt alles reiner old Saxon style. Im Eß-saal fand ich eine Nachahmung des Dir früher beschriebenen Schlosses Wilhelms des Eroberers zu Rochester. Was damals nur ein großer Monarch ausführen konnte, realisirt jetzt als Spielwerk, nur noch größer, schöner und kostbarer, ein simpler Landgentleman, dessen Vater vielleicht mit Käsehandel anfing. So ändern sich die Zeiten! Der Grundplan des Gebäudes, den mir der gefällige Architekt vorlegte, gab Gelegenheit zu einigen häuslichen Informationen, die ich Dir hier mittheile, weil fast alle englische größere Landhäuser so eingerichtet find, und sie, wie so vieles, die Zweckmäßigkeit englischer Gebäude darthun. Die Dienerschaft hält sich nie im Vorzimmer, hier die Halle genannt, auf, welche immer wie die Ouverture bei einer Oper, den Charakter des Ganzen anzudeuten sucht. Sie ist gewöhnlich mit Gemälden oder Statuen geschmückt, und dient, wie die elegante Treppe und alle übrigen Zimmer, nur zum beliebigen Aufenthalte der Familie und Gäste, welche sich lieber manchmal selbst bedienen, als immer einen solchen dienenden Geist hinter ihren Fußstapfen wissen wollen. Die Bedienten sind daher alle in einer entfernteren großen Stube (gewöhnlich im rez de chaussée) versammelt, wo sie auch zusammen, ohne Ausnahme, männliche und weibliche, zu gleicher Zeit essen, und wo alle Klingeln aus dem Hause ebenfalls aboutiren. Diese hängen in einer Reihe nummerirt an der Wand, so daß man sogleich sehen kann, von woher geklingelt wird; an jeder ist noch eine Art Pendulum angebracht, der sich 10 Minuten lang, nachdem die Klingel schweigt, noch fortbewegt, um den Saumseligen an seine Pflicht zu erinnern! Das weibliche Personal hat gleichfalls ein großes Versammlungszimmer, worin es, wenn nichts anderes vorkömmt, näht, strickt und spinnt. Daneben befindet sich ein Behältniß zum reinigen der Glaswaaren und des Porzellains, welches den Mädchen obliegt. Jede von diesen, so wie die männlichen Diener, haben im obersten Stock ihre besondere Schlafzelle. Nur die Ausgeberin (housekeeper) und der Haushofmeister (butler) bewohnen unten ein eignes Quartier. Unmittelbar an das der Ausgeberin anstoßend ist die Kaffeeküche und die Vorrathskammer für Alles, was zum Frühstück nöthig ist, welche, in England wichtige, Mahlzeit speciell zu ihrem Departement gehört. Auf der andern Seite ist ihr Waschetablissement, mit einem kleinen Hofe verbunden; es besteht aus 3 Piecen, die erste zum Waschen, die zweite zum Plätten, die dritte bedeutend hohe, welche mit Dampf geheizt wird, zum Trocknen bei schlechtem Wetter. Neben des Haushofmeisters Logis befindet sich seine pantry, ein geräumiges feuerfestes Zimmer mit rund umher laufenden Schränken, wo das Silber aufbewahrt wird, das er auch hier putzt, so wie die zur Tafel nöthigen Glas- und Porzellainwaaren, die ihm, sobald sie von den Mädchen rein gemacht sind, welches alles sehr pünktlich geschieht, sogleich wieder abgeliefert werden müssen. Aus der pantry führt eine verschlossene Treppe in die Bier- und Weinkeller, welche der butler ebenfalls unter sich hat.
Hier nun gerieth ich zuerst in jenen Touristenschwarm, dem ich sobald nicht wieder entrinnen sollte. Der ganze Schloßhof stand voll Menschen, – Damen mit ledernen Handschuhen, die Fechthandschuhen nicht unähnlich waren, und blauseidenem Wetterdach vor dem Strohhut; Herren in carrierten Mützen und den Hals in steife Collars geknebelt – denn ganz bequem kann sich’s der Gentleman sogar auf der Reise nicht machen. Die Schaulust dieser ungeheuren Schaar wurde sectionenweise befriedigt; alle Viertelstunde öffnete sich das Thor, um zwei Dutzend heraus- und andere zwei Dutzend hineinzulassen. Mittlerweile hatte ich Muße, das Thürwappen zu studiren. Es war ein Hirschbock, der von einer Geißel getrieben ward – mit der Umschrift: aequo animo. Das berühmte Dante’sche: „Lasciate speranza!" paßte nicht beßer für den Besucher der Hölle, als der Pennant’sche Schildspruch für den Besucher dieser Burg. Wahrlich – es gehörte viel Gleichmuth dazu, sich mit 24 Gentlemen von einer vertrockneten, finstern, mistrauischen Schloßverwalterin durch ein Schloß hetzen zu lassen, das in seiner exquisiten Pracht vom wärmsten Lebensgenuß zeugte und dazu anregte. Ich kam mir recht vor, wie jener Hirschbock, der von einer Geißel getrieben wird, und dachte dabei immer „aequo animo!" Mit den 24 Gentlemen, von welchen einer einen schreienden Sprößling auf den Armen trug, hatte sie freilich leichtes Spiel; sie liefen – der Gentleman mit dem Schreihals immer voraus – so schnell durch alle Säle, Hallen und Gemächer, daß die Geißel kaum folgen konnte. Ich aber bereitete ihr vielen Ärger. Hier blieb ich vor einem Caneletti und Pierro del Vayn, dort – in der Schloßcapelle – vor einem Glasfenster stehen; überall hatte ich mir etwas in’s Notizbuch zu schreiben, Nichts war vor mir sicher. Das verdroß sie sehr. Ich gieng immer meine eignen Wege und verirrte mich sogar einmal so, daß ich die Gesellschaft nur durch’s Gehör fand, indem ich mich nämlich dem Gentleman mit dem Schreihals nachfühlte. Kurz und gut – vom Ärger gieng die Geißel zum Verdacht über; und da ich so gar nichts an mir hatte, was Gentleman-Iike war, vielmehr einen Knotenstock führte und den Hemdkragen breit über dem lose flatternden Halstuch trug, so hielt sie mich für einen heimlichen Dieb, für einen verkappten Räuber. Sie wich nicht mehr von meiner Seite, sie sah mir auf die Hände, sie murmelte unverständliche Reden. Was hätte ich Dir entwenden sollen, Beste? Etwa eine von den goldbordirten Bettdecken? Unter dem steifen Brokat würde ich doch nicht schlafen können! Oder eins von diesen vergoldeten Waschbecken? Einen mit Sammet ausgeschlagenen Rollsessel? Oder gar einen dieser Marmorkamine? Einmal allerdings, als ich in dem Bibliotheksaal, wo die herrlichsten Bande hinter vergoldeten Gittern in Reih und Glied zu Tausenden aufgestellt sind – als ich da auf einem der Mahagonitische aufgeschlagen die Firmin Didot’sche Bilderausgabe des Horaz sah, da allerdings wandelte mich eine gar seltsame Lust an, da zuckte allerdings meine Hand – aber ich las das „Integer vitae!“. . . „Wer reinen Herzens lebt“ . . . und obendrein stand die Geißel mit ihrem furchtbarsten Blicke neben mir... und der Firmin Didot’sche Bilderhoraz und die Unschuld meiner Seele waren gerettet!